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Hier lest ihr ältere Beiträge der "Aktuell"-Seite

November 2020

KulturPerlen auf der Peking - 5 Fragen an Ursula Richenberger

  1. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Sensibilität für Barrierefreiheit erst durch die persönliche Erfahrung angeregt wird. Wie kommt es, dass du dich so sehr für die Barrierefreiheit einsetzt?
    Ich setze mich grundsätzlich für eine offene, demokratische und diverse Gesellschaft ein. Ich liebe meine Arbeit im Museum, weil es ein Ort ist, wo sich Diskussionsräume öffnen, ein Kulturort, der auch soziale Funktionen hat. Ein Moment, der meinen Blick dafür geschärft hat, wo Hindernisse sind und wie leicht diese zum Teil zu beheben wären, war der Museumsbesuch mit einer Freundin, die im Rollstuhl sitzt. Der Aufsuchen der Toilette war für sie nur in Begleitung einer Aufsicht möglich, weil der Fahrstuhl in den Keller - wo die Toiletten lagen - für Besucher*innen nicht allein zugänglich war. Diese Erniedrigung, diese Abhängigkeit spüre ich noch heute. Das darf nicht sein.

  2. Aus den Medien haben wir erfahren, dass es Widerstände gegen den barrierefreien Ausbau der PEKING gab. Welche waren es?
    Die PEKING ist ein Segelschiff von 1911, das im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut wurde, 1932 zum Internats- und Ausbildungsschiff in Upnor/Großbritannien, 1974 zum Museumsschiff in New York. Diese Umbauten waren zum Glück minimal und reversibel, sodass die PEKING wieder in ein Segelfrachtschiff zurückverwandelt werden konnte – als einziger der legendären Flying-P-Liner, anders als die PASSAT, die POMMERN und die Ex-PADUA (Kruzenshtern).
    Den riesigen leeren Laderaum des Schiffs und die verschiedenen Bereiche an Bord, wo alles noch analog und ohne elektrische Hilfsmittel funktionierte, zu erleben, ist eine besondere und seltene Erfahrung, die durch keine digitale Präsentation ersetzbar ist. Der Großmast reckt sich 51 Meter in die Höhe, das Schiff ist 115 Meter lang, es ist mit 31 Mann an Bord ganze 34 Mal um Kap Hoorn gesegelt. Und damit sind sehr viele Geschichten verbunden, die das Schiff sozusagen erzählt. Der eigentliche Zweck des Schiffes für uns heute ist nicht mehr die Frachtschifffahrt, sondern seine Funktion als „leibhaftiger“ Vermittler des Themas Handelsschifffahrt. Deshalb waren Eingriffe in die historische Substanz des Schiffes erforderlich, um (fast) alle Bereiche des Schiffes erlebbar zu machen. Die Diskussion um das Machbare entzündete sich insbesondere am Einschneiden der Querspanten im Laderaum im Unterdeck. Hier gibt es an drei Stellen Einschnitte, die die historische Anmutung des Schiffbauchs verändern. Aber nur dadurch war ein stufenloser und steigungsfreier Boden herzustellen. Darüber hinaus wurden Lösungen für die Türen und Durchgänge in den Aufbaudecks sowie für die Platzierung der Sanitäranlagen gefunden. Besonders stolz bin ich auf den schwierigen und kostspieligen Einbau zweier Fahrstühle, die in Glasbauweise ausgeführt sind und so die Sichtachsen und das Erlebnis auf dem Schiff kaum beeinträchtigen, aber den Besucher*innen den Zugang auf jede Decksebene erlauben.

  3. Wie konntet ihr sie überwinden?
    Der Prozess der Restaurierung der PEKING ist das „Gesamtkunstwerk“ eines Teams: neben der Projektleitung um Joachim Kaiser von der Stiftung Hamburg Maritim waren es Mitarbeiter*innen der Peters Werft, Ingenieure aus der Bauaufsicht, die unterschiedlichsten Dienstleister sowie wir Museumsleute, die drei Jahre lang in zweiwöchentlichen Sitzungen um den besten Kompromiss aus Erhalt historischer Substanz, originalgetreuer Restaurierung und möglichst offener Zugänglichkeit für das Publikum gerungen haben. Mit Erfolg. Das ist sowieso meine Kernerfahrung: Miteinander reden hilft.

  4. Wer hat euch im Hinblick auf die verschiedenen Aspekte der Barrierefreiheit beraten?
    Beraten hat uns ein ehemaliger Kollege, Shura Zuschke, der im Museum für Hamburgische Geschichte gearbeitet hat. Er hat ein großes Herz für alte Schiffe und ist selbst Rollifahrer. In Zukunft werden wir mit verschiedenen Partner*innen an der Verbesserung der Zugänglichkeit arbeiten, mit Audiowalks, mit Taststationen, immersive Erlebnisse schaffen, die PEKING im digitalen Raum barrierefrei erzählen lassen, nach der baulichen Instandsetzung unsere Energie auf die Herstellung der Barrierefreiheit im umfassenden Sinne zu setzen. In Hamburg gibt es zahlreiche Expert*innen für die vielfältigen Aspekte der Barrierefreiheit, die wir einbeziehen werden.

  5. Gibt es finanzielle Anreize für die Umsetzung von Barrierefreiheit im Hafenmuseum?
    Nein. Aber es ist für uns eine Grundvoraussetzung beim Bau des neuen Museums, alle essenziellen Anforderungen bezüglich Barrierefreiheit des Gebäudes und seiner Angebote zu erfüllen. Wir wollen mit dem Deutschen Hafenmuseum ein aktiver Teil der Stadtgesellschaft werden, ein Diskursort, um über Themen des globalen Handelns und unsere weltweite Vernetzung zu diskutieren, und dort zu überlegen, wie wir unsere Welt gerechter machen können. Deshalb zählt Barrierefreiheit zu den vordringlichen Aufgaben. Zugänglichkeit ohne fremde Hilfe – in das Gebäude und bei der Nutzung der Angebote im Museum – ist unverzichtbar und wird am Ende allen nutzen.


 


Januar 2021

Die Fux-Kaserne soll barrierefrei werden!

Unter dem Motto #WishYouWereHere läuft noch bis zum 1. Februar das Crowfunding für den barrierefreien Ausbau der ehemaligen Viktoria-Kaserne auf Startnext.com.

Auf einen Besuch der Fux Kaserne freuen wir uns! Hoffentlich ist er bald wieder möglich.
Tanja Schwichtenberg und Susanne Held haben uns vorab und anlässlich der Spendenkampagne schon mal 5 Fragen per E-Mail beantwortet.

Lesen Sie unsere Fragen (fett gedruckt) und ihre Antworten!

Wie kommt es, dass die Fux Genossenschaft sich so sehr für die Barrierefreiheit ihrer Gebäude einsetzt? Ist auch bei euch – wie so häufig – eine persönliche Betroffenheit Motor der Anstrengungen?

Tanja:

Das Thema Barrierefreiheit war in der ersten Phase der Genossenschaftsgründung und der Sanierung weniger im Fokus. Fragen der Finanzierung, der Selbstorganisation und der Kommunikation innerhalb der Genossenschaft waren besonders wichtig und sind es weiterhin. In der Phase in der wir uns jetzt befinden, gibt es etwas Luft, um innezuhalten und zu schauen was uns als Genossenschaft wichtig ist. Die Fux eG ist ein Raum in dem wir sensibel mit Diskriminierungen umgehen wollen, deshalb müssen wir auch faktisch beginnen, Barrieren abzubauen und Begegnungen möglich zu machen. Ein großer Impuls war sicher die Planung der inklusiven Bewegungsetage, die nach den weiteren Umbaumaßnahmen bei uns einziehen wird.

Susanne:

Es ist eine Mischung aus persönlicher Betroffenheit, jahrelanger Erfahrung im beruflichen und privaten Kontext mit Barrieren bis hin zu keiner Erfahrung. Es ist der Wunsch, einen Ort zu schaffen, in dem es ein Bewusstsein und eine Haltung geben kann. Ableismus und Exklusion gehören zusammen. An einem Ort, an dem Begegnung und Inklusion stattfinden kann, können Vorurteile abgebaut werden.

Aus den Medien haben wir erfahren, dass ihr eine Spendenkampagne gestartet habt und schon fast 30 000,- € sammeln konntet. Reicht das Geld für die Eigenmittel, die ihr aufbringen müsst? Wieviel fehlt und woher kommt das fehlende Geld?

Tanja + Susanne:

In der Kampagne sind bisher gut 20.000 Euro zusammengekommen. Ein großer Teil davon wurde von Genoss*innen von fux gespendet. Außerhalb des Projektes reagieren sehr viele Menschen positiv auf unser Engagement, gespendet wird aber wenig. Insgesamt fehlt eine sehr große Summe, um alles umzusetzen was wir uns wünschen. Die 30.000 Euro sind ein Baustein, um Eigenmittel für einen Antrag bei Aktion Mensch zu haben, darüber hinaus gibt es Mittel aus einem europäischen Strukturpaket und wir versuchen auch auf anderen Wegen Spenden zu gewinnen. Wir arbeiten unsere Wünsche für Barrierefreiheit dann nach ihrer Priorität ab. Das dauert vielleicht und braucht einen langen Atem.

Was habt ihr vor? Welche Maßnahmen sollen zuerst verwirklicht werden?

Als Erstes bekommt der Haupteingang einen Lifter und der Vorplatz wird barrierefrei gestaltet.

Dann sollen auf allen Etagen barrierefreie Toiletten. Bisher ist gegenüber der Cantina im EG eine und in der Gästeetage von Dock Europe im 2. Stock.

Wichtig ist die Sanierung des Lastenaufzuges im Hinterhof als Personenaufzug, da man dann vom Hof bis zum 3. Stock kommt.

Elektrische Türöffner (damit fangen wir im EG an) wären toll.

In euren Beiträgen im Netz geht es hauptsächlich um Rollstühle, Rollatoren und Kinderwägen. Wer hat euch im Hinblick auf die verschiedenen Aspekte der Barrierefreiheit beraten?

Wir sind nach unseren ersten Ideen ganz praktisch gestartet und mit David und Lisa von sit 'n' skate durchs Haus gerollt um zu schauen, wo es Barrieren gibt. Zudem haben wir Expert*innen für barrierefreies Bauen von Leben mit Behinderung/Barrierefrei Leben e.V. zu Rate gezogen und mit unseren Haus-Architekt*innen gesprochen.

Die baulichen Maßnahmen sind ein wichtiges Ziel für uns. Desweiteren sind 2020 zweimal die monatlich stattfindenden Hausrundgänge von Gebärdensprachdolmetscher*innen übersetzt worden. Ebenso die Eröffnung der dauerhaften Treppenhaus Ausstellung. Geplant sind Audiodateien in der Treppenhausausstellung und am Vorplatz, da dort eine Gedenktafel angebracht wird. Wir haben Gelder für eine Inhouse- Schulung leichte Sprache beantragt, um zukünftig unsere Homepage in leichter Sprache anbieten zu können.

Erfahrt ihr Widerstände (z.B. vom Denkmalsschutz) in Bezug auf die Umsetzung der Barrierefreiheit??

Von Seiten des Denkmalschutzes bisher nicht. Das Haus hat aufgrund seiner Bauweise und aufgrund des Denkmalschutzes schon genug Widerstände eingeschrieben, mit denen wir kreativ umgehen müssen.

Wir wünschen euch weiterhin ganz viel Erfolg beim Spenden sammeln. Herzlichen Dank für das Gespräch! 


 


Februar 2021

Hier sehen Sie 2 Filme, die Ihnen allgemeine Informationen über die KulturPerlen in Deutscher Gebärdensprache zeigen:

Kultur in der Corona-Pandemie

Die KulturPerlen stellen sich vor


 


Februar 2022

Was hat es mit den Galionsfiguren im Altonaer Museum auf sich? Wie hören sich die uralten Bohlen auf dem legendären Hamburger Vermaster PEKING an? Was hat es mit der Architektur in der Elbphilharmonie auf sich?

Das Programm von "Bei Anruf Kultur" bringt über 20 Kulturstätten zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach Hause – einfach per Telefon und kostenlos.

Das Programm ist thematisch breit aufgestellt. Jede und jeder kann sich anmelden, das Angebot richtet sich an Alle. Besonders interessant ist es jedoch für Menschen, denen ein Besuch im Museum nicht möglich ist, beispielsweise weil sie zu weit weg wohnen oder durch eine Behinderung eingeschränkt sind.

"Bei Anruf Kultur" funktioniert ähnlich wie ein Podcast. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten nach der Anmeldung eine Festnetznummer und die Raumnummer für die Einwahl. Sie hören dem Guide über das Telefon zu und werden während des Vortrags stumm geschaltet, so dass sie sich um störende Geräusche keine Gedanken machen müssen. Falls während der Führung Fragen aufkommen, haben die Zuhörerinnen und Zuhörer die Möglichkeit, diese zwischendurch in Gesprächsrunden zu stellen.

Die Teilnahme ist kostenfrei. "Bei Anruf Kultur" wird von der Behörde für Kultur und Medien Hamburg, dem Fonds "Kultur für Alle", der NORDMETALL Stiftung und der Willy-Brandt-Stiftung gefördert. Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien über das Projekt:

Der große Erfolg von "Bei Anruf Kultur" zeigt, dass die einfachen Ideen meist die besten sind! Das Angebot ist niedrigschwellig und spricht sehr unterschiedliche Zielgruppen für eine gemeinsame, akustische Führung an. Die Ausstellungen werden dabei so präzise beschrieben, dass sie vor dem inneren Auge lebendig werden. Ein tolles Projekt, das Kunst und Kultur mit dem Telefon für jeden und von jedem Ort aus erlebbar macht.

Im Terminkalender des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg (BSVH) sind die Termine abrufbar. Menschen ohne Zugang zum Internet können sich das Programm über das Infotelefon des BSVH unter: Tel. (040) 209 404 66 vorlesen lassen.

Initiatoren des Projekts sind der BSVH und grauwert, das Büro für Inklusion und demografiefeste Lösungen.